Was sich am ersten Forschungssymposium der ZLS Zurich Law School ereignet hat, kann man vorbereiten, aber nicht planen:

Hochkarätige Referierende und ein zahlreiches, ganz besonderes Publikum aus verschiedenen Branchen trafen in einem Dialog voller neuer Erkenntnisse zusammen. Herzlichen Dank an alle, die dazu beigetragen haben!

Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Daniel Dedeyan, Rechtsanwalt, Counsel bei Walder Wyss AG und Rektor der ZLS Zurich Law School, und Prof. Dr. Sabine Kilgus, LL.M. (UPENN), Partnerin Losinger Rechtsanwälte, Vize-VR-Präsidentin der Eidg. Revisionsaufsicht und Mitglied des Institutsrats der ZLS Zurich Law School.

Ausgangspunkt des Symposiums war die gemeinsame Erfahrung, dass mit der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards und deren Verrechtlichung Zielkonflikte in den Unternehmen aufbrechen, und zwar in den verschiedenen Bereichen und Rechtsgebieten auf ähnliche Weise. Im Fokus des Symposiums stand, die Zielkonflikte der Nachhaltigkeit in den jeweiligen Bereichen zu identifizieren, die Auswirkungen der Verrechtlichung zu erfassen und Lösungsansätze zu entwickeln.

Im Einklang mit ihrem Leitbild verfolgt die ZLS damit ihr Ziel, eine Plattform für einen transdisziplinären Austausch zwischen den Disziplinen und mit der Praxis zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zu bieten.

Der nachfolgende Bericht ist als subjektiver Eindruck aus Teilnehmersicht, nicht als objektive Wiedergabe der Statements der Referierenden zu lesen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Regulierung

Prof. Dr. Daniel Dedeyan, Rechtsanwalt, Counsel bei Walder Wyss und Rektor der ZLS Zurich Law School («Nachhaltigkeitsregulierung: Eine Arena für Zielkonflikte und Lösungen»), führte in die Nachhaltigkeitsregulierung und ihre Zielkonflikte ein und postulierte in Auseinandersetzung mit einzelnen Rechtsnormen, sich in der Regulierungsflut auf die vermittelnde Kraft des Rechts zu besinnen, anstelle blossen Nachvollzugs Ermessenspielräume aktiv zu nutzen und Nachhaltigkeit nicht von der Regulierung, sondern im Stakeholderdialog vom Business her zu entwickeln.

Christoph Baumann, Envoy Sustainable Finance des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen («Sustainable Finance zwischen Regulierung und Markt am Beispiel der Klimaberichterstattung») legte am Beispiel der Klimaberichterstattung anschaulich und überzeugend dar, wie rechtliche Regulierung erst die Basis für ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit schafft. Er mahnte aber, dass Regulierung nicht zum Selbstzweck werden darf. Zum einen reicht es nicht, wie im Fall der EU-Taxonomie Nachhaltigkeitskriterien aufzustellen, welche nur eine kleine Minderheit von Unternehmen zu erfüllen vermögen. Zum andern kann man nicht, wie oft gefordert, bloss auf eine soliden Datenlage warten. Im Umgang mit den Zielkonflikten der Regulierung ist vielmehr eine realistische langfristige Perspektive entscheidend, welche Branchen und Unternehmen es in 20 Jahren noch geben wird und wie sie sich entwickeln sollen.

Governance

Prof. Dr. Karl Hofstetter, Titularprofessor der Universität Zürich und Schöpfer des Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, welcher aktuell um Nachhaltigkeitsaspekte erweitert wird («Zielkonflikte der Unternehmensverantwortung aus Sicht der Corporate Governance»), veranschaulichte in seinem packenden Vortrag vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdiskussion die Dilemmata der Unternehmensführung zwischen rechtlicher Verpflichtung zur Maximierung des Shareholder Value und ethischen Anforderungen an das Unternehmen als eines Teils der Gesellschaft. Als Lösungsansatz betonte er die Wichtigkeit klarer Verantwortlichkeiten und Prozesse, und stellte das Konzept eines «konzeptionellen Corporate Social Responsibility-Pragmatismus» vor, der zielgerichtet die verschiedenen Interessen über geeignete Verfahren und die Mitsprache relevanter Akteurinnen und Akteure vermittelt.

Unternehmen

Dr. Katja Roth Pellanda, General Counsel der Zurich Insurance Group AG («Bedeutung der Rechtsfunktion für das Management von Zielkonflikten im Unternehmen»), führte eindrücklich aus, wie die Rechtsfunktion auf Gruppenebene des Unternehmens im Bereich der Nachhaltigkeit die zahlreichen Anforderungen der Regulierungen, der Share- und der Stakeholder und der Unternehmenskommunikation vermittelt, und zwar in Bezug auf das Versicherungsgeschäft, die Investitionstätigkeit und die Aufsicht. Hierbei gilt es, nicht nur Regelkonformität sicherzustellen, sondern aktiv zur Geschäftsentwicklung beizutragen. Überzeugend schilderte Katja Roth Pellanda auf die Frage nach der Lösung der scheinbar unlösbaren Spannungen die Bedeutung von Authentizität im Handeln und in der Kommunikation.

Dr. Antonia Wanner, Group Head of Sustainability, Sustainability Strategy and Deployment von Nestlé AG («ESG Reporting im Spannungsfeld zwischen Aufwand und Nutzen»), zeigte anhand konkreter Beispiele eindringlich, was es bedeutet, Nachhaltigkeit vom Business her umzusetzen. Eine Graphik von zahllosen sich überlagernden und teils widersprechenden Standards veranschaulichte, wie Nachhaltigkeitsregulierung, Offenlegungsbürokratie und Ratings zum Selbstläufer geworden sind. Diese entheben nicht von der Verantwortung, die eigenen Prioritäten mit dem grössten Wirkungsradius zu bestimmen und konsequent zu verfolgen. Antonia Wanner beschrieb diesen Prozess, der von Besuchen und Bodenproben beim indonesischen Bauer bis zum Produkt reicht und lokal abgestimmte Lösungen verlangt. Auf die Frage, wie sich dieses Mikromanagement noch managen lässt, erklärte sie überraschend, dass Lösungen, welche lokales Know How und Management etwa der Bäuerinnen und Bauern nutzen, einfacher zu managen sind als globale Einheitslösungen.

Stakeholder

Prof. Dr. Johannes Reich, Professor für Öffentliches Recht, Umweltrecht und Energierecht, Universität Zürich («Klimaklagen: Zielkonflikte vor Gericht»), legte in seinem ebenfalls brillanten Vortrag mit wissenschaftlicher Schärfe anhand der Forschung zur «Tragödie der Allmende» dar, dass kollektive Umweltgüter der Regulierung bedürfen, sei es durch staatliche Gesetzgeber oder korporativ durch lokale Selbstorganisation. Wo solche Regulierung nicht funktioniert, vermögen Klimaklagen als starke symbolische Akte positive Impulse zu geben, auch wenn ihre Grundlagen in den Rechtsordnungen unsicher sind. Johannes Reich erklärte ausserdem aus umweltrechtlicher Perspektive die besondere Schwierigkeit solcher Klagen beim Nachweis einer kausalen Zuordnung von Schäden an Umweltgütern zu bestimmten Akteuren.

Matthias Narr, Head Engagement International, Ethos Stiftung («Active Ownership: Zielkonflikte und Erfolge»), zog zum krönenden Abschluss des Symposiums das Publikum mit der spannenden Darstellung aus der Praxis in seinen Bann, wie Stimmrechtsberater konkret nicht nur bei aktiven, sondern auch bei passiven Investments im laufenden Dialog mit den Unternehmen auf die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien hinwirken und wie sie mit der Zeit zur Ausbildung von Marktstandards beitragen. Damit Active Ownership wirksam ist, gilt es, die Balance zwischen einvernehmlichem Dialog und Eskalation mittels Aktionärsanträgen und anderen Vorstössen zu finden.

Vorläufige Ergebnisse

In den Präsentationen und regen Diskussionen auf dem Podium und mit dem Publikum erwies sich Nachhaltigkeit als eine Formel für Zielkonflikte, die das Recht reguliert und dabei neue schafft. Zu deren Lösung trugen die verschiedenen vertretenen Perspektiven anhand von Praxisbeispielen ein Set von Strategien bei: Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards nicht als Selbstzweck, Authentizität als Prinzip, klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten, kluge interne Prozesse, vom Business her gedachte Prioritätensetzung und Implementation, Nutzung lokaler Selbstorganisationsprozesse, konsensualer Dialog und Nutzung von Mitwirkungsrechten sowie Klagen als Medium für einen Dialog auf Augenhöhe, um nur einige zu nennen.

Zur Nachhaltigkeit gehört die Lösung ihrer Zielkonflikte. Die Diskussion darüber ist eröffnet!

ZLS Konferenz Teilnehmende
ZLS Konferenz Daniel Dedeyan
ZLS Konferenz Apéro Telnehemnde
ZLS Konferenz Apéro-Platten

ZLS Zurich Law School

Institut für Rechtswissenschaft
Jungholzstrasse 43
8050 Zürich
Nachhaltigkeit - Keimling
Symposium
28.10.2022 13:30–18:30 Uhr, mit Networking Apéro
Kalaidos Bildungsgebäude, Jungholzstrasse 43, 8050 Zürich (beim Bahnhof Zürich-Oerlikon)

Nachhaltigkeitsregulierung: Zielkonflikte der Unternehmen und Rolle des Rechts

Forschungssymposium an der ZLS Zurich Law School 

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